Hitzeschutz: 10-Punkte-Plan
- johanneswagnerma09
- vor 5 Tagen
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Aktualisiert: vor 2 Tagen

Hitze ist die größte klimawandelbedingte Gesundheitsgefahr in Deutschland. Die
Auswirkungen sind vielfältig und gravierend: während Hitzewellen steigt die
Wahrscheinlichkeit von Frühgeburten um 20 Prozent, psychische Krankheitsbilder
verschlimmern sich und die Zahl der Rettungsdiensteinsätze steigt. Pro Jahr versterben etwa
3000 Menschen in Deutschland aufgrund von Hitze. Etwa 2/3 dieser hitzebedingten Todesfälle
lassen sich auf die Klimakrise zurückführen.
Besonders gefährdet sind vulnerable Gruppen wie alte Menschen, chronisch Erkrankte,
Schwangere, Kinder sowie Menschen ohne festen Wohnsitz, die kaum Möglichkeiten zum
Schutz vor extremer Hitze haben. Auch für diejenigen, die im Freien arbeiten – etwa auf
Baustellen oder im Bereich der Abfallentsorgung – steigen die Gesundheitsbelastungen und
das Risiko für hitzebedingte Erkrankungen wie Hautkrebs deutlich an. Insbesondere sozial
benachteiligte Menschen in Städten sind der Hitze ausgesetzt, da sie häufig in dicht bebauten,
verkehrlich stark frequentierten Gegenden leben, in denen viel Beton auf wenig Grünflächen
trifft. Hitzeschutz ist somit auch ein Gerechtigkeitsthema.
In der vergangenen Legislaturperiode wurden erste wichtige Schritte unternommen, um den
Hitzeschutz in Deutschland zu verbessern. Doch im schwarz-roten Koalitionsvertrag findet das
Gesundheitsrisiko Hitze keinerlei Erwähnung. Damit bleibt der Hitzeschutz in Deutschland ein
Flickenteppich: Es fehlt an klaren Zuständigkeiten und einer gesicherten Finanzierung.
Mit dem Beschluss des Fraktionsvorstands der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die
Grünen wurde bereits ein Grundstein für einen verbesserten Hitzeschutz aufgestellt. Darauf
aufbauend fordern wir die Bundesregierung auf, folgende konkrete Maßnahmen umzusetzen:
1. Hitzeschutz endlich ernst nehmen
Es braucht endlich einen umfassenden, ressortübergreifenden Hitzeschutzplan für
Deutschland. Die neue Bundesregierung muss den “Hitzeschutzplan für Gesundheit” der
Ampel-Regierung umsetzen und sektorübergreifend ausbauen. Außerdem sollte das
Hitzewarnsystem des Deutschen Wetterdienstes (DWD) so ausgebaut werden, dass es alle
Menschen frühzeitig und zuverlässig erreicht und, z.B. per SMS, über Hitzewellen informiert.
2. Hitzeschutz ausreichend finanzieren
Hitzeschutz passiert vor Ort. Damit jede Kommune ihre Anwohner*innen schützen kann,
braucht es flächendeckend Hitzeaktionspläne, aber vor allem auch die nötige Finanzierung zur
Umsetzung von Hitzeschutzmaßnahmen. Wir fordern daher, Mittel aus dem Sondervermögen
und dem Bundeshaushalt auch verstärkt für den Hitzeschutz zu verwenden. Denn der Auf- und
Umbau von Infrastruktur muss klimaangepasst umgesetzt werden. Das bedeutet konkret: Bei
allen Vorhaben muss die blau-grüne Infrastruktur, also die strategische Gestaltung von Grün-
und Wasserflächen, mitgeplant werden.
3. Patient*innen, Personal und pflegende Angehörige schützen
Alte und chronisch kranke Menschen, Babys, Kleinkinder und Schwangere leiden unter Hitze
– aber auch das Personal in Gesundheitseinrichtungen, in der ambulanten Pflege, sowie
pflegende Angehörige. Wir fordern 200 Euro pro pflegebedürftiger Person für den Einbau von
Klima- und Hitzeschutzmaßnahmen in Pflegeeinrichtungen, beispielsweise die Anschaffung
von Klimageräten. Hitzeschutz muss außerdem fester Bestandteil der Aus- und Weiterbildung
in Gesundheitsberufen werden – inklusive Informationen zu hitzebedingten Risiken und
Medikamentenwirkungen.
4. Klimaschutz in Gesundheitseinrichtungen
Unser Gesundheitswesen leidet nicht nur unter den Auswirkungen der Klimakrise, sondern
verursacht sie auch mit. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen müssen nicht nur vor Hitze
geschützt, sondern auch selbst klimaneutral werden, denn sie haben sehr hohen
Energieverbrauch. Wir fordern, dass ein Förderprogramm “Green Hospitals” von 5 Milliarden
Euro aufgesetzt wird, um unter anderem in Photovoltaikanlagen, Wärme- und Kälteerzeugung
und Lüftungsanlagen zu investieren.
5. Seelische Folgen von Hitze in den Blick nehmen
Seelische Folgen von Hitze werden bislang zu wenig beachtet. Studien zeigen, dass
Hitzewellen Symptome psychischer Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder
Psychosen verstärken und die Zahl der Suizide steigt. Hitzeschutzpläne müssen auch den
Schutz der psychischen Gesundheit umfassen, Prävention und Aufklärung müssen ausgebaut
werden, und psychiatrische Einrichtungen brauchen gezielte Unterstützung für Hitzewellen.
6. Hitze-Bus und mobile Kühlteams
Wie im Winter den Kältebus, soll es im Sommer den Hitzebus geben: Mobile Kühlteams
verteilen kostenlos Wasser, leisten Erste Hilfe und beraten Wohnungslose Menschen direkt
auf der Straße. Niedrigschwellige Informationsangebote in mehreren Sprachen werden
flächendeckend umgesetzt. Dabei wird z.B. mit sogenannten “Kühlkarten” darüber informiert,
wo es den nächsten Trinkbrunnen oder einen Park mit Schattenplätzen gibt. An zentralen
Orten, an öffentlichen Badestellen und in Schwimmbädern sollen kostenlose
Sonnencremespender installiert werden.
7. Kühlpflicht für den öffentlichen Raum
Der öffentliche Raum muss hitzefest werden: Spielplätze und Schulhöfe sowie Haltestellen im
öffentlichen Nahverkehr müssen beschattet und begrünt werden. An zentralen Orten muss es
mehr öffentliche Trinkbrunnen geben. In jeder Kommune sollen sogenannte „Cool Zones“
entstehen – klimatisierte Räume mit kostenlosem Trinkwasser, WLAN und medizinischer
Erstversorgung. Die öffentliche Hand sollte hier aus Vorbild fungieren und gemeinschaftliche
Gebäude, wie beispielsweise Bibliotheken oder Rathäuser kühl halten und dafür zur Verfügung
stellen. Staatliche Museen sollen an Hitzetagen kostenfrei zugänglich werden, um allen
Menschen zu ermöglichen, sich im kühlen aufzuhalten. Wir wollen auch insgesamt mehr
Schwimmbäder in den Gemeinden schaffen und den Eintritt für alle Menschen ermöglichen.
8. Grün statt Grau
Wir wollen, dass alle Menschen ausreichend Zugang zu “Grünen Oasen” haben und setzen
uns daher besonders in urbanen Gebieten für mehr Stadtgrün ein. Bei Hitze bieten Parks mit
Bäumen kühle und kostenlose Aufenthaltsorte, was besonders für vulnerable Gruppen
lebenswichtig ist. Insbesondere an dicht besiedelten Orten trifft jedoch viel Beton auf wenig
Natur. Daher wollen wir mehr “Kühle Meilen” - also begrünte und z.T. entsiegelte sowie
verkehrsberuhigte Straßen - realisieren, um mehr Schattenplätze und Aufenthaltsqualität an
heißen Tagen zu schaffen. Wenn neue Infrastruktur gebaut wird, muss diese klimaangepasst
realisiert werden – beispielsweise kühlen begrünte Fassaden im Sommer, halten Wasser und
wärmen im Winter, weißer Asphalt heizt sich weniger auf.
9. Hitzepause am Arbeitsplatz
Maßnahmen zum Hitzeschutz am Arbeitsplatz, wie angepasste Arbeitszeiten, und das Recht
auf Hitzefrei müssen gesetzlich verankert werden. Insbesondere im Niedriglohnsektor, wo
Beschäftigte oft im Freien arbeiten, braucht es besseren Schutz. Dafür muss der gesetzliche
Arbeitsschutz erweitert und bei Hitzebelastung konsequent angewendet werden. Verbindliche
Temperaturgrenzen und Schutzpausen müssen eingehalten werden.
10. Klare Zahlen für wirksamen Hitzeschutz
Bei Hitze gilt: Wir kennen die notwendigen Maßnahmen – jetzt kommt es auf die konsequente
Umsetzung an. Es braucht wissenschaftlich fundierte und regelbasierte Schwellenwerte, an
denen verpflichtende Maßnahmen greifen. Gleichzeitig bleibt eine solide Datengrundlage
unerlässlich, um den Hitzeschutz wirksam evaluieren zu können. Deshalb fordern wir, das
Monitoring der hitzebedingten Mortalität durch das Robert Koch-Institut weiter auszubauen.
Darüber hinaus braucht es verlässliche Zahlen zu weiteren relevanten Themen, wie zum
Beispiel zur Schnittstelle zwischen Hitze und Luftverschmutzung, damit Policy-Empfehlungen
endlich umgesetzt werden.
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